über

Hallo, ich bin Melanie. Ich texte seit über 20 Jahren – angestellt, freiberuflich, privat. Aktuell arbeite ich Teilzeit für SWISSAID im Online-Fundraising und freue mich über neue freie Aufträge und darauf, eigene Projekte voranzutreiben. Prosaschreiben lernen etwa. Der folgende Text: Vorstellungsrunde für die Textmanufaktur und kleine Liebeserklärung ans Schreiben.

Ein kleiner Holztisch vor einem grossen Fenster. Zimmerbreit, bodentief. Am Tisch ein Stuhl, gepolstert. Blick in die Ferne, das Meer. Klar, blau. Gerade ruht es. Nächste Woche wird es wilder. Gischt. Schhhh. Es ist so ruhig hier. Auf dem Tisch ein aufgeklappter Laptop, ein leerer Bildschirm – bis auf den blinkenden Strich. Gibt den Takt an. Lautlos.

Wenn ich an mich und das Schreiben denke, denke ich an dieses Zimmer. Ein Zimmer für mich allein. Ich stelle mir vor, wie schön es ist, mich auf diesen Stuhl zu setzen. Die Ruhe. Ich schreibe. All die Geschichten, die in mir festsitzen, fliessen durch meine Finger über die Tastatur in die weite Welt. Abendrot, am Horizont taucht ein Boot auf. Und wenn nicht gestorben würde… 

Natürlich ist meine Beziehung zum Schreiben unromantischer. Sie gibt mir viel – aber sie ist auch kompliziert. Schreiben treibt mich um, es macht mich wahnsinnig, wenn die Worte, die ich finde, die ich nur mit Müh und Not festhalten kann – wenn diese Worte nicht zu fassen schaffen, was in meinem Kopf herumgeistert. Nie zur Gänze.

Ich schreibe, ich schreibe seit ich denke und ich denke ich denke besser, wenn ich schreibe. Schreibend entdecke ich die Welt. Schreibend verstehe ich mich besser. Schreiben ordnet so schön meine Gedanken. Es beruhigt so selbstsicher meinen Geist. Schreiben lässt mich zur Ruhe kommen. Schreiben hilft.

Verdammt, wie ich das Schreiben dafür liebe, alles einfacher zu machen. Wenigstens für einen kleinen Moment.  

Ich wollte über den Tod schreiben, aber das Leben brach wie immer herein.

Virginia Woolf


Es begann mit einem Porträt über einen Jodler. Ich war die unsichere Praktikantin, die erste in der Geschichte der Regionalredaktion, die es schaffte, beim Einparken das Geschäftsauto zu schrotten. Ich weiss nicht mehr, ob es auf dem Heimweg von diesem Jodler war – möglich, denn das hatte was mit mir gemacht.

Ich hatte mich wenig über diesen Auftrag gefreut. Ein pensionierter Jodler, zwischen uns lagen 50 Jahre und über Musikgeschmack lässt sich mit einem Teenie nicht streiten. Aber dann fand ich mich an einem Tisch in einem Bauernhaus an einem Ort wieder, der mit den Öffentlichen nicht erreichbar war, vis-a-vis ein schrumpeliges Ehepaar. Und während mir die Frau Kaffee und Kuchen servierte, breitete der Mann sein Leben vor mir aus.

Schon auf der Rückfahrt setzte sich mein Artikel Wort für Wort im Kopf zusammen. Floss direkt ins Redaktionssystem. Ich musste nur noch Feinarbeit leisten. An einzelnen Stellen feilen, Sätze kürzen, Worte ersetzen. Einen Titel finden. Ich hab’s geliebt. Und dann stand das am nächsten Tag schwarz auf weiss in der Zeitung. Mit meinem Namen drüber. Ja, ich war auch stolz. Wie mein Chef. Das mit der Delle am Auto war schnell vergessen. Meine Leidenschaft fürs Schreiben und Veröffentlichen entfacht.

Ich hatte mit angezogener Handbremse einen Weg eingeschlagen, für den ich auch über 20 Jahre später noch  unglaublich dankbar sein sollte. Weil er mir eine Arbeitswelt eröffnet hat, die mir bis heute so viele Freiheiten bietet. Ein Berufsfeld, in dem ich mich ständig verändern und weiterentwickeln kann. Mir nicht zuletzt ein Werkzeug in die Hand gelegt hat, das mich durchs Leben trägt. 

Denn wenn ich in den Fluss komme, wenn ich im Text drin bin, in der Geschichte, dann bin ich dort. Dann bin ich in diesem Zimmer. Es ist egal ob ich in Realität in einer kalten, fensterlosen Kammer sitze. Ob ich versuche, mich nicht vom Baulärm ablenken zu lassen, von Alltagsstress, Herzschmerz, dem Gedanken, was ich meiner Tochter gleich zum Mittagessen auf den Tisch stellen soll. 

Ich bin in diesem Zimmer, ich schaue aufs Meer, ich schreibe. Und alles ist gut.